Unterrichtsdidaktik
Taijiquan nach Großmeister Chen Xiaowang ist Schritt für Schritt logisch aufgebaut. Das Lernen und Lehren dieses komplexen Systems lässt sich in drei Abschnitte, die nicht voneinander zu trennen sind, unterteilen:
1. die motorische Schulung,
also das Lernen der Basisübungen, die korrekte Ausrichtung der einzelnen Körperteile, z.B. auf welchem Bein ist das Gewicht, wie halte ich meine Arme, usw.
2. die Zentrierung der Bewegung,
also die Ausrichtung auf Dantian, der Körper ist gelöst und entspannt, wird durchlässig, das Schwere sinkt nach unten, das Leichte steigt nach oben usw.
3. Die inneren Bewegungen,
sprich der fühlbare und nutzbare Energiefluss, Innen und Außen finden zusammen, hier lernen wir in der Form unsere Energie und in den Anwendungen die Energieen und Kräfte des Gegners sinvoll zu leiten und zu nutzen. Dantian ist das Zentrum unseres Körpers usw.
Um den 3.Punkt zu erreichen und zu verfeinern, ist es voraussetzend notwendig die ersten Beiden sehr genau und ausdauernd zu üben und zu verwirklichen. Dies ist das Ziel unseres Unterrichts.
Natürlich können diese drei Punkte nicht völlig getrennt voneinander vermittelt werden. Um die Energie (Qi) auch wirklich nutzbar zu machen, ist es notwendig den Körper zu einer Einheit zusammen zu führen.
D.h. alle Körperteile müssen lernen als Einheit zu fungieren!
Dazu müssen sie natürlich ersteinmal miteinander verschmelzen - der Körper wird eins, heißt es so schön. Allein dies ist in der Regel ein sehr weiter Weg, bildet aber die Grundlage einer funktionierenden Kampfkunst, wie auch immer diese geartet sein mag.
Der Aussage: "Körper und Geist werden eins" getreu zu werden, ist dann noch einmal eine weitere nicht zu unterschätzende Aufgabe.
All dies erfordert exakte Anleitung, genaue Korrekturen und regelmäßiges Training.
Leute die sich einfach nur Fit halten wollen oder nach einem Weg suchen, das ein oder andere „Altagszipperlein“ in den Griff zu bekommen sind selbstverständlich auch herzlich willkommen. Tai Chi kann hier bekannter Weise wahre Wunder vollbringen.
Den oben genannten drei Abschnitten möchte ich noch einen vierten hinzufügen:
4. Die Kampfkunstpraxis,
hier lernt man die in den ersten drei Schritten erarbeiteten Kenntnisse anzuwenden. Spätestens hier werden etwaige Irrungen auf dem Weg gnadenlos aufgedeckt. Nur ein Körper und ein Geist, der den Kontakt zum Übungspartner in den Prinzipien einer halbwegs realistischen Anwendungen als vertraut erkennt ist in der Lage automatisch eine funktionale Lösung auf einen Angriff zu finden.
Hier mache ich mich mit der Biomechanik und dem Zusammenwirken zweier Körper vertraut.
Nun werde ich gezwungen die Kreise kleiner zu machen, und die Energie eines Angriffes entspannt und ohne Mühe durch meinen Körper zurück laufen zu lassen, was ein wesentlicher Punkt im klassischen Taijiquan bedeutet.
Leider hört, und das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, hier der Spaß auf. Hat man vorher über Jahre einige der wichtigen Elemente der Kampfkunst im relativ angenehmen Laufen und Wiederholen der Form kontaktfrei und schmerzfrei, eher theoretisch, gelernt und vertieft, so lernt man jetzt seinen Körper sinnvoll gegen einen Gegner oder Übungspartner einzusetzen. Ein sehr wichtiger Schritt, der es mir letztendlich ermöglicht die Form sinnvoll zu üben. Besonders was die sogenannte innere Arbeit betrifft! Mit dieser Kenntnis wird das Formlaufen um einiges intensiver aber auch schwieriger und ist einem Anfänger nicht einfach zu vermitteln. Meist beschrängt man sich anfangs auf ein konzeptionelles Lernen der Techniken um das Verständnis zu wecken und zu fördern. Da das Taijiquan, das erkennt man schon an der Form, überwiegend auf Techniken mit den Armen beruht, sind dementsprechend mittels der Arme und Hände (aber auch der Füße und Beine und des Rumpfes) die Anwendungsprinzipien unter Zuhilfenahme des ganzen Körpers auf den Gegner zu übertragen! Diese sind im weiteren auch auf unsere Waffen anzuwenden. Dieser Punkt ist nicht mit Sporttuishou zu verwechseln!
Aber keine Angst, niemand wird gezwungen am Anwendungstraining teilzunehmen. Dieses wird ohnehin erst nach einigen Jahren Praxis in Form und sanften Tuishouübungen relevant. Nicht jeder Taijischüler ist daran interessiert, sich zu einem "Kämpfer" oder gar "Krieger" auszubilden, ist dies doch im Verhältnis schmerzhaft und birgt im Vergleich zum „normalen“ Training ein Risiko sich eine Beule zu holen oder sich sich an einer Waffe zu verletzen.
Im Vordergrund unseres Tai Chi Trainings sollte immer der Spaß an der Bewegung und das Interesse an dieser einzigartigen Kampfkunst und Bewegungskunst stehen.
Die eigenen kämpferischen Fertigkeiten durch das Üben unseres Gong Fu zu entwickeln mag sehr interessant und ergiebig sein, doch ist es in unseren Zeiten glücklicher Weise nicht mehr lebenswichtig über tiefe Kenntnisse und Fertigkeiten einer Kampfkunst zu verfügen. Ein guter und friedfertiger Charakter und Gesundheit sind deutlich höher einzustufen! Auch in diesen Bereichen soll uns die Kunst des Gong Fu bzw. Taijiquan einen fördernden Weg aufzeigen.