Taiji im Grüneburgpark

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Die Taijiquan - Reform in der 14. Generation



Grafik: Chen Changxing

... Wohl um einen besseren Ablauf des Formentrainings zu ermöglichen.
So zumindest die offizielle Meinung. Meine Meinung dazu ist jedoch etwas abweichend aber wegen fehlender Überlieferung, zwangsläufig spekulativ.

Zunächst möchte ich den zeitlichen Rahmen betrachten:

Während vor Chen Changxing (1771-1853) noch die relativ kurzen Formen Chen Wangtings (1597-1664) unterrichtet wurden, kamen in der Generation Chen Changxings also in der 14. Generation seit Chen Bo die beiden Formen des Alten Rahmen (Laojia) auf, welche die Figuren und Lehren der Formen Chen Wangtings noch heute beinhalten.

Also 14.Generation Chen Familie! Da war doch noch etwas:

Genau, in der 14. Generation entwickelte Chen Youben (1809-1865) den „Kleinen Rahmen“ (Xiaojia) Chen Taijiquan und Yang Luchan (1799-1872), ein berühmter Schüler Chen Changxings, begründete den Yang Stil des Taijiquan und verbreitete diesen öffentlich in Peking. Yang Luchan lernte bis dahin den Chen-Stil (ich nehme an den Alten nach Chen Wangting), aber unterrichtete seine Interpretation - nämlich eine lange Form, und nicht die bis dahin relativ geheimen kurzen Formen Chen Wangtings. Im wesentlichen sind aber auch hier die Lehren Chen Wangtings erhalten - er kannte ja nichts anderes!

Zusammenfassend kamen hier in der 14. Generation also zwei wesentliche Veränderungen im Taijiquan zum tragen:

1. Taiji wurde öffentlich unterrichtet und weiter gegeben an Schüler, die nicht der Chenfamilie angehörten und diesen weder bekannt oder befreundet waren. Diese Schüler lebten fern ab der Heimat des Chenclans, also fern ab von Chenjiagou irgendwo in der Stadt in einer anderen Welt kann man schon fast sagen.

2. Die kurzen, aber wie ich vermute sehr kämpferischen und hoch effektiven Formen ( Chen Wangting orientierte sich in seiner Kampfkunst an dem kämpferischen Nutzen auf dem Schlachtfeld – also das höchste und effektivste – aber folgerichtig auch in seiner Einfachheit durchdachteste was die Kampfkünste so hergeben mussten) wurden zusammengefasst.

Meiner Meinung nach besteht hier ein Zusammenhang!

Wenn man sich Punkt 1 und 2 zusammen betrachtet, stellt sich die Frage warum gerade in dieser Zeit die kurzen Formen Chen Wangtings zusammengefasst wurden.

Der gemeinsame Nenner ist der öffentliche Unterricht an fremde Schüler. Also an Schüler, die der Chenfamilie nicht bekannt waren.

Absolut fremden Personen die bis dahin geheimen Techniken einer hoch effektiven Kampfkunst zu lehren stellt natürlich ein Risiko dar. Ich denke das leuchtet ein. Wenn eine Familie, noch dazu eine traditionsbewusste Familie des alten China, einen solchen Schritt geht, dann ist das mit Sicherheit ein Thema gewesen im Clan und wurde von den Clanchefs und Meistern entsprechend besprochen und geregelt.

Die Tatsache, dass in den historischen Unterlagen und Annalen der Chenfamilie keine Hinweise darauf zu finden sind, wer letztlich die neuen Formen Laojia Yilu und Laojia Erlu entwickelte, legt in meinen Augen auch die Vermutung nahe, dass es keine Einzelperson war, sondern eine gemeinsame Arbeit der Familie. Man beachte die Tragweite und Bedeutung einer solchen Reform!

(Chen Changxing wurde in dieser Generation lediglich als Kampfkunstlehrer in Chenjiagou erwähnt. Er stand in direkter Abstammungslinie zu Chen Wangting und war wohl der Hauptvertreter der Chenlinie während dieser Zeit. Seine Meisterschaft in der Kunst des Taijiquan ist natürlich unbestritten, ebenso seine praktischen kämpferischen Fertigkeiten - war er doch (wie in der Familie üblich) mit dem Schutz und der Eskortierung von Handelskarawanen beauftragt und berühmt für seine Kampfkunst.)

Wie auch immer diese Regelung aussah und welche Ziele im Vordergrund standen, das Ergebnis ist:

Die kurzen Formen verschwanden in den beiden langen Formen und wurden nicht mehr unterrichtet – zumindest nicht öffentlich! Die einzelnen Familienzweige, sogar der Hauptzweig in direkter Linie zu Chen Wangting, lehrten von dieser Generation an ihre eigenen langen Formen. Ich denke dies war das Ergebnis einer gemeinsamen Absprache und Clanentscheidung.

Der Grund hierfür ist für mich recht klar, wenn aber auch sehr spekulativ:

Man wollte es dem unbekannten Schüler nicht zu einfach machen diese Kampfkunst zu erlernen. Mann stelle sich vor: Massen von Fremden lernen irgendwo fern ab der Heimat das Gong Fu meiner Familie, welches bis dahin im relativ kleinen Familien und Freundeskreis weitergegeben wurde. Und ich kenne diese Leute nicht einmal!

Da aber die alten Formen und Lehren Chen Wangtings nicht verloren gingen und gehen sollten, sondern in den Taijiquanformen weiter existent sind und auf das genaueste unterrichtet werden können, kann man sagen:

Nichts ist verloren, selbst die alten Formen und Lehren Chen Wangtings nicht. Sie wurden lediglich etwas verschleiert um sicher zu stellen, dass nur solche Schüler diese Kampfkunst in ihrer höchsten Vollendung erlernen können, welche sich ausgiebig damit beschäftigen und die zahlreichen Hinweise ihrer Lehrer und Meister auch in den alten Schriften beachten und befolgen.
Der Unterschied zu vorher liegt wohl hauptsächlich in der Lehrmethode. In kurzen Formen kann ich einzelne Ziele des Unterrichts der Selbstverteidigung in Schwerpunkten gliedern und zielorientierter unterrichten. Also Stückeln.

Will man diesen Weg heute nachvollziehen, darf man allerdings das Ziel Chen Wangtings nicht aus den Augen verlieren. Nämlich seine Kampfkunst zu verbessern. (Ich betrachte an dieser Stelle nur den Selbstverteidigungsaspekt unserer Kunst. Natürlich liegt hier auch ein gesundheitsorientierter Beweggrund vor, welcher das Taijiquan bis heute auszeichnet.)

(Warum sollte auch ein relativ alter Meister der Kampfkunst das bis dahin in seiner Familie seit Generationen gelehrte Gong Fu ändern und sich neben dem Gesundheitsaspekt dabei an den besten Techniken seiner Zeit aus dem Buch eines berühmten Generals orientieren? Es war die Kunst der wirkungsvollen Selbstverteidigung die ihn beschäftigte!

Man beachte die wirklich schwierige Zeit in der er lebte. Seine Familie hatte sich bereits über Generstionen als versierte Meister der Kampfkunst einen Namen gemacht, die Gegend befriedet, Räuberbanden bekämpft. Doch nun kam eine Zeit des Wandels, des Krieges, des Hungers und der umherstreifenden Banditen mit Kung Fu und Kriegserfahrung. Selbst Kannibalismus war in solchen Zeiten des Hungers nicht ausgeschlossen. Mit Nächstenliebe und Weisheit allein kann man da nicht überleben. Um eine Art von Ordnung zu erhalten sollte man alles daran setzen nicht der Letzte in der Nahrungskette zu sein. Eine effektive und schnell zu lernende Kampfkunst ist hier nützlich. Die Kunst der Gesunderhaltung des Körpers und des Geistes ist ebenfalls ein wesentlicher Punkt. Chen Wangting war ein Krieger, und bis zu seinem Fall ein Berufssoldat in gehobener Stellung. Was man hier an seine Familie vererben möchte, ist die Kunst am Leben zu bleiben! Ich denke er hat zu Lebzeiten nie aufgehört ein Krieger zu sein.)

Will man also die alten Formen und Lehren Chen Wangtings ergründen muss man sich mit der kämpferischen Seite unserer Kunst des Taijiquan beschäftigen. Eine Kunst des Kampfes ist auf dem Schlachtfeld nur dann brauchbar, wenn die Soldaten und Schüler diese auch recht schnell erlernen können, zumindest so weit, dass sie einen Nutzen im Krieg erfüllen können. Man will ja nicht 20 Jahre warten bis die Soldaten ausgebildet sind. Ebenfalls muss man die Techniken und Prinzipien auf die Waffen anwenden und übertragen können ohne jedes mal neu zu lernen. Es stellt sich also die Frage was in den einzelnen Formen Chen Wangtings an Prinzipien und Techniken unterrichtet werden sollte.

Die Antwort liegt in unseren heutigen Formen. Das Tuishou, welches auf Chen Wangting zurück zu führen ist, gibt uns auch einige Hinweise darauf wie diese Techniken der Form – also die Spiralbewegungen – bei bestehenden Kontakt zu den Armen des Gegners übertragen werden können.

Zu beachten ist hier allerdings, dass es nicht das Ziel sein sollte mit dem Gegner in einen körperlichen Kontakt zu treten um danach eine Technik anzuwenden. Das ist zwar eine gute Übungsmethode aber die Kunst ist wohl, nicht in einen Kontakt zu geraten bzw. zu lernen, sich schnell wieder von diesem zu lösen. Dies sollte demnach an erster Stelle stehen und stellt einen wichtigen Punkt in der Kampfkunst dar, vor allem wenn es einmal schnell gehen muss.

Ferner spielen wohl auch die Waffen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der waffenlosen Handformen. Es leuchtet ein, dass der Faustkampf auf dem Schlachtfeld gegenüber den Waffen wie Säbel, Speer und Hellebarde eher eine untergeordnete Rolle spielte. Tiefe Kenntnisse dieser Künste waren einem Chen Wangting zu eigen und dieser Einfluss sollte sich auch auf die Entwicklung der waffenlosen Prinzipien der Kampfkunst Taijiquan ausgewirkt haben.

„Es gibt keine Geheimnisse“, heißt es bei den Meistern des Taijiquan.

Abschließend möchte ich sagen: Es ist nichts verloren gegangen. Und seit der Generation Chen Changxings bekommt man diese Kunst der Selbstverteidigung und des effektiven Gong Fu sogar öffentlich, aber leider nicht mehr auf dem Silbertablett serviert. Man muss sich wohl wirklich eingehend damit beschäftigen :-).

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