Philosophie
Taijiquan ist tief in den Lehren des Daoismus verwurzelt. Wollen wir die Theorie des Taijiquan verstehen, so müssen wir uns ein wenig mit der daoistischen Philosophie beschäftigen.
Hier ein kurzer Umriss der für unsere Zwecke wesentlichsten Elemente:
Was ist das Dao?
Laotse: „Das Dao, das man greifen kann, ist nicht das Dao.“
Damit meint Laotse, dass man das reale Dao nicht beschreiben kann. Jegliche Beschreibung ist an unsere Gedanken und Vorstellungen gebunden und daher nicht real, sondern nur in der „Nichtrealen Welt“ unseres Verstandes existent. Das was wir sehen, hören und fühlen wird von unserem Gehirn interpretiert und verändert – unsere Wahrnehmung ist nicht real.
Diese Erkenntnis hat weitreichende Folgen auf die ich hier nicht weiter eingehen will.
Dschuang Tse: „Es gibt nichts, was Dao nicht ist.“
D.h.: Das Dao ist die Schöpfung selbst – jedes geringste Teil davon! Für das Dao hat alles den gleichen Wert. (Auch diese Erkenntnis hat weitreichende Folgen für die, die ihre Erkenntnis daraus ziehen wollen).
Es ist die höchste Kraft im Universum, der Grund für Sein und Nichtsein.
Das Dao lässt sich nicht in Worte fassen – ist aber intuitiv erfassbar.
Das Geheimnis des Dao ist, dass es selbst nicht aktiv tätig ist, aber dennoch das Handelnde, der Schöpfer aller Dinge.
Es tut nichts, und lässt doch nichts ungetan.
Also ist das Dao in erster Linie die Natur mit ihrer Ordnung und ihren weisen Gesetzen der Selbstorganisation. Die Wirkungsweise des Dao ist von einem unausgesetztem Wandel, von andauernder Veränderung gekennzeichnet. Beim Tao ist alles im Fluss. Es gibt keine Trennung zwischen innerer und äußerer Welt. Beide bedingen sich gegenseitig.
Die Essenz des Dao ist das Aufhören aller Gegensätze (Wuji). Seine Bewegungen sind das kontinuierliche Zusammenspiel dieser Gegensätze (Taiji).
Alle Geschehnisse und Wandlungen sind die Ergebnisse der Wirkungsweise von Yin und Yang.
Nicht trennen – nicht Unterscheiden! Das sind die wichtigsten Parolen der alten Weisen des Dao.
Wu Wei
Wu Wei bedeutet wörtlich in etwa „Nichtstun“ oder „Nichthandeln“.
Man sagt auch „selbstvergessenes Handeln“ oder „Das Handeln im Nichthandeln“ oder „Spontanes Handeln“, „intuitives Handeln“. Ich bevorzuge die Beschreibung „Handeln durch Nichteingreifen – durch Geschehenlassen“.
Im tieferen Sinne meint Wuwei, wir sollen in unseren Entscheidungen nicht gegen unsere innere Autorität, eben das Dao, handeln.
Das Wu Wei stellt ein sehr mächtiges Instrument des Daoismus dar.
Wuji und Taiji
Wuji ist der Urquell allen Seins. Es liegt dort, wo noch kein Yin und kein Yang existiert. Also dort wo noch keine Bewegung besteht, in der Stille. Wuji ist der ungeteilte Zustand, die Mutter von Taiji. Erst durch Bewegung, durch das Leben, kommt die Energie (Qi) zum fließen. Dadurch findet Teilung statt (wenn etwas fließt, kommt es woher und fließt auch wohin).
Es entsteht das Teil und sein Gegenstück, eben Yin und Yang (symbolisiert durch die zwei kleinen Fischchen im Taijisymbol), sowie die Verbindung, sprich die Einheit der Beiden (symbolisiert durch einen Kreis außen um die beiden Fischchen).
Das Wuji-Symbol wird übrigens durch einen leeren Kreis dargestellt.
Die beiden Energien Yin und Yang vermischen sich und aus deren unendlichen Kombinationen (angedeutet durch die kleinen Augen der Fischchen in unserem Taijisymbol) erhalten wir alles was ist, und auch alles was nicht ist. Das sind Wuji und Taiji.
Yin und Yang
beschreibt die beiden bipolaren Energien der Natur und allen Seins, sowie ihre Einheit (Taiji).
Yin = dunkel, die Nacht, das Verborgene, das Tal, weich, nachgiebig, das weibliche, passive.
Es ist z.B. die Kälte, die Erde, das Gefühl
Der untere Körperbereich wird dem Yin zugeordnet. Ebenso die Intuition und Kreativität, Aufweichung, Verminderung und böses um nur einige Eigenschaften zu nennen.
Yang= hell, der Tag, das Offensichtliche, das Licht, der Berg, das Beständige.
Die Wärme, der Himmel, der Verstand, der obere Körperbereich.
Männlich, aktiv, Verdichtung, Vermehrung und Gutes werden dem Yang zugeordnet.
Ebenso Ratio und analytischer Verstand.
Yin wird symbolisch durch einen unterbrochenen Strich dargestellt, Yang durch einen Durchgezogenen. Diese nennt man die zwei Erscheinungen (Liang Yi).
Kombiniert man diese beiden miteinander, so erhält man eine Kombination von insgesamt vier Bildern mit je zwei Strichen (Si Liang).
Zerfallen diese Energien weiter erhält man die acht Trigramme (Ba Gua) und weiter die 64 Hexagramme und schließlich die sog. „Zehntausend Dinge“ (also das komplette Chaos unserer Machenschaften).
Im Taijiquan meinen wir damit den Grad unserer inneren Vernetzung der Energie, bzw. der sensiblen Wahrnehmung dieser Energie und somit auch die Fähigkeit, mit ihr in einer „wie auch immer gearteten Weise“ arbeiten und umgehen zu können. Sprich, wer in seinen Bewegungen Yin und Yang unterscheiden kann ist schon einen guten Schritt weiter, schließlich macht er von da an etwas, was man als Taijiquan bezeichnen kann. Ab jezt ist man Anfänger, denn ab nun kann man damit beginnen, mit Yin und Yang - also mit Taiji - zu arbeiten.
Dies lässt sich natürlich weiter verfeinern, die Struktur verbessert sich, man erreicht die vier Bilder, die acht Trigramme, die 64 Hexagramme, schließlich Erleuchtung, und wer dann noch Zeit hat Unsterblichkeit.
Soviel zumindest zur Theorie.
Da aber jeder Weg mit dem ersten Schritt beginnt und dann begangen werden muss, sollten wir weniger lesen und schreiben, dafür aber mehr trainieren.
Daher Schluss damit!
Song – Entspannung
Song meint Wachsamkeit, Sensibilität, Beweglichkeit und Leichtigkeit gepaart mit einem bewussten und sparsamen Umgang mit Energie.
Die Entspannungsenergie (Song) hält die Muskeln und Knochen entspannt, so dass Qi und Blut ungehindert in und um sie herum fließen können.
Jegliche Verspannung behindert den natürlichen Fluss von Blut und Qi! Das gleiche gilt aber ebenso für total entspannte Schlaffheit. Spaghettiarme haben nun mal keine Kraft! Wir brauchen eben erst einmal eine Körperstruktur in der wir entspannen können!
Erst wenn der Körper entspannt und wachsam in seiner Mitte ruhen kann, und sich aus dieser auch sensibel und entspannt bewegen kann, werden die Energien und Kräfte des Taijiquan nach und nach wach und wirksam.
Eine Katze liefert ein gutes Beispiel für Song.